Entscheidungen (und wie sie gefällt werden)

Eine Coaching-Geschichte

So! Seit letzter Woche ist es klar: Es wird im Jahre 2020 zumindest in der Region, in welcher ich meine Trainings durchführe, keine Klassenfahrten mehr geben. Bei der Bekanntgabe dieser Nachricht wurde mir bewusst, dass ich insgeheim wohl doch gehofft hatte, dass es ab Herbst weitergeht und die Trainings und Programme spätestens ab 2021 weiterlaufen würden wie bisher. Ich gebe zu das war etwas naiv, aber im Alter von 55 Jahren war ich wohl bequem geworden und spekulierte lieber auf den leichtesten Weg. Also lieber die Situation aussitzen, als sich in Arbeit zu stürzen, welche sich womöglich als unnötig herausstellen würde.

Ich ging also erst einmal Angeln und feierte ein paar Waller, die mir in einer normalen Arbeitssaison sicherlich entgangen wären. Im September 2019 feierte Baltic Teamprojekte seinen 20. Geburtstag und eine kleine Pause konnte sicherlich nicht schaden. Allerdings – ich gebe zu: Auch wenn ich auf das Jubiläum etwas stolz war, meldete sich schon damals auch ganz leise die erste von mehreren inneren Stimmen, die mich fragte, ob ich daran glaube, dass mich das kleine Unternehmen noch 13 Jahre tragen würde? Oder andersrum: Ob ich noch 13 Jahre in der Lage sei, das Unternehmen zu tragen?

Nun gut: Mit 55, als Familienvater, engagierter Ehrenamtler und überhaupt etwas ruhebedürftiger als mit 35 Jahren, hörte ich lieber auf eine zweite Stimme, die mir kameradschaftlich auf die Schulter klopfte und mir riet, ein bisher erfolgreiches, zwar nicht leichtes, aber doch vom Zeitaufwand berechenbares Geschäftsmodell doch nicht einfach so in Frage zu stellen – auch wenn es etwas in die Jahre gekommen ist.

Wie? In die Jahre gekommen? Welche dritte Stimme quatschte denn da von der Seite rein?

Das konnte sich Stimme Eins nicht unwidersprochen bieten lassen: „Wir führen sichere, überwiegend seit 1999 bewährte Konzepte durch, was soll denn da auf einmal nicht mehr dran stimmen?“

Die innere Diskussion beginnt

Okay, meldete sich die dritte, etwas aufgeschlossenere Stimme, nun etwas lauter: „Die eine oder andere Schraube hätte man wohl demnächst drehen müssen, schließlich ist die Welt nicht mehr die gleiche wie vor der Erfindung des Smartphones. Und die Gesellschaft ist es auch nicht.

Deine Programme sind mittlerweile einfach etwas altbacken.“

Stimme Zwei: „Nein, so lange wir ausreichend gebucht werden, mache ich mir keinen Stress, es gibt schließlich noch andere wichtige Dinge im Leben und die Kunden freuen sich doch in der Regel, wenn sie etwas bekommen, was sie wiedererkennen können.“

Auf einmal beteiligte sich eine ganz neue innere Stimme an der Diskussion: Nr.4.

„Seit wann hast du Angst vor Veränderungen? Du bist kein Pädagoge der ersten Stunde.

In deinem Lebenslauf stehen ehrenwerte Tätigkeiten, die du keineswegs nur als Praktikant ausgeübt hast, sondern zum Teil über Jahre. Um nur einige zu nennen: Rettungssanitäter im Zivildienst, angelernter Bauarbeiter im Hochbau, im Klärwerk, als Motorradmechaniker und Schiffsmechaniker und zudem Erzieher in der Jugendhilfe. Du hattest früher immer Lust an Veränderung und neuen Erfahrungen. Als du dich 1999 als Erlebnispädagoge nach zwei Jahren berufsbegleitende Ausbildung selbstständig gemacht hast, hast du drei Jahre ausschließlich mit Gruppen auf kleinen Segelschiffen gearbeitet. Du hast mit 33 das erste Mal auf einer Jacht gestanden, dann innerhalb eines Jahres drei Scheine gemacht und mit 34 hast du dein erstes Schiffchen eigenverantwortlich geführt. Da hast du dir auch nicht lange in die Hosen gemacht!“

Hmm, Stimme Vier hatte recht: Für die Scheine hatte ich einen sicheren Job gekündigt und ein Jahr hauptsächlich auf dem Wasser verbracht. Und war sogar kurzzeitig Schiffseigner.

Bis ich von Hamburg nach Bayern gezogen bin. Der Liebe wegen und ich habe das noch keine Minute bereut! Aber ein Schritt war es schon: aus Hamburg Altona in einen 150 Seelen-Ort in den Bayerischen Wald! Und zwar für 7 1/2 Jahre! Dann ging’s weiter nach Regensburg. In Sachen Flexibilität ist ein Schilfrohr dagegen eine griechische Säule. Berufsbegleitend habe ich sechs Jahre eine umfangreiche Coachingausbildung an der Uni in Hamburg gemacht. Es gibt sogar ein Zertifikat. Aber in die Arbeit mit Gruppen ließ es sich nur zum Teil integrieren, deshalb fristete der Coach in mir eher ein Schattendasein.

Raus aus der Komfortzone

Also: Angst vor Veränderungen lasse ich mir nicht vorwerfen. Aber ein wenig träger bin ich schon geworden. Dann kam die Corona-Krise. Mit den oben beschriebenen Folgen. Und damit auch Stimme Fünf: „Auf einmal ist es keine Frage der Bequemlichkeit mehr, ob du nicht doch noch mal an dem einen oder anderen Schräubchen drehen solltest. Oder vielmehr: sogar das ganze Rad weiterdrehen musst. Es ist notwendig geworden, wenn du dich weiterhin sinnvoll und mit Freude beschäftigen willst. Du hast viel gemacht und dabei viel erlebt. Vor allem Menschen. Du warst nie Vorgesetzter, außer in deinem eigenen Betrieb. Du warst meistens Teil einer Gruppe und zwar in der Regel als Angestellter ziemlich unten in der Hierarchie. Auf dem Bau, auf der Werft, in der Werkstatt, im Klärwerk. Und du warst nie wirklich richtig Handwerker, denn eigentlich haben dich die Kollegen mit ihren vielfältigen, interessanten und manchmal auch tragischen Biographien immer mehr beschäftigt und fasziniert, als die handwerkliche Arbeit. Warum du folgerichtig seit fast 21 Jahren mit Menschen arbeitest. Und das solltest du auch weiterhin tun.“

Corona hat viel verändert, jeder ist betroffen. Vielen geht es so wie mir. Veränderung ist notwendig geworden und keine Luxusentscheidung mehr. Meine Großeltern haben als Erwachsene zwei Weltkriege mitgemacht, meine Eltern einen: eigentlich darf ich mich mit 55 nicht beschweren. Oder nur kurz, auch meine Vorfahren haben mit Sicherheit auch mal gehadert und geflucht, sonst wären sie keine Menschen gewesen. Aber praktisch genutzt hat es ihnen auch nichts.

„So, halbwegs interessante Geschichte“, werden jetzt die denken, die bis hierhin durchgehalten haben. „Aber wozu erzählt er das?“

Okay, schnell weiter, ich will sie als Leser*in natürlich an dieser Stelle nicht verlieren: Mit fünf inneren Stimmen hatte ich es bis jetzt also zu tun. Zeit und Gelegenheit für meine Lieblings-Coaching-Methode:

Das Innere Team!

Lassen Sie sich bitte kurz auf folgendes Bild ein: Hinter jeder inneren Stimme steht eine Person mit eigenen Bedürfnissen und Erfahrungen und jede dieser Personen will für sich das Beste, hat Angst zu kurz zu kommen und möchte gehört werden. Wie in einem realen Team auch! Ich erkläre das mal an Hand meines eigenen Inneren Teams in dieser Frage: „Wie mache ich in dieser Situation unter Corona-Bedingungen beruflich weiter?“

Stimme Eins: „Du bist keine 30 mehr, du kannst dich nicht darauf verlassen, dass es so weitergeht. Wer weiß, wie lange du das körperlich noch mitmachst? Die ersten Wehwehchen kommen bestimmt bald!“

Das klingt etwas ängstlich und sorgenvoll und Ängste und Sorgen mag ich natürlich nicht so gerne zugeben. Aber recht hat dieses Teammitglied schon und es ist besser ich höre ihm zu, um nicht aus falschem Stolz in eine echt üble Lage zu geraten.

Ich nenne dieses Teammitglied: „Der besorgte Mahner“.

Stimme Zwei: „Ach was. Jetzt hast du schwere Aufbauarbeit geleistet und so lange damit dein Geld verdient. Jetzt sitzt du die Corona-Zeit aus und dann machst du so weiter wie bisher. Bloß keinen Stress. Beständigkeit ist doch der höchste Wert!“

Den nenne ich mal „Der bequeme Verdränger“.

Stimme Drei: „Die Welt verändert sich. Um notwendige Anpassungen kommst du nicht drum herum. Du müsstest auch ohne Corona aktiv werden.“

Das ist eindeutig „Der Realist“ in mir, der mit offenen Augen sieht, was um ihn herum vorgeht.

Stimme Vier: „Wo ist deine Lust auf Neues? Der Spaß an Herausforderungen? Du wirst dich zu Tode langweilen und irgendwann allen auf den Keks gehen, weil du zu früh aufgehört hast, dich zu entwickeln!“

So, das ist jetzt mal eine alte, sehr vertraute Stimme. Sie gehört zu einem Mitglied meines Inneren Teams, welches mein Leben oft sehr bunt und interessant, aber auch manchmal sehr anstrengend gemacht hat. Und es hat auch manche Niederlage zu verantworten, die man mit mehr Besonnenheit hätte vermeiden können.

Ich nenne dieses Teammitglied: „Der wissensdurstige Abenteuerlustige“.

Er war schon maßgeblich daran beteiligt, als ich mich im letzten Herbst für die Ausbildung zum Mediator angemeldet hatte. Eigentlich erstmal nur aus Neugier, aber jetzt vielleicht doch als Teil einer eigenständigen Alternative.

Stimme Fünf: „So, jetzt musst du aktiv werden. Schau nicht nach hinten, den Mutigen gehört die Welt! Du hast eh keine Wahl mehr und mit deinen Erfahrungen hast du gute Voraussetzungen. Aber tändel nicht lange rum, gehe in die Richtung, die du ohnehin schon eingeschlagen hattest.“

Dem gebe ich jetzt mal den tatkräftigen Namen „Der zielgerichtete Macher“.

Tja, ziemlich viel Durcheinandergequatsche. Was tun? Ganz sicher: Wenn ich auch nur eine überhörte, würde sie mir noch lange in den Ohren liegen und mich bei jedem Schritt bremsen.

Also blieb mir als Oberhaupt des ganzen Haufens nichts anderes übrig, als mein inneres Team eine Diskussion führen zu lassen und diese bis zu einem Ergebnis zu moderieren, mit dem alle leben können. Wie bei einem echten Team aus Fleisch und Blut. Um dann innerlich gefestigt loszulegen. Nochmal zur Transparenz:

Welche Schritte bin ich gegangen?

Ich habe mir eine Frage gestellt, in der ich unentschlossen war und nicht recht weiterkam.
Ich habe mein inneres Stimmengewirr „aufgedröselt“ und die verschiedenen Positionen personalisiert: So entstanden die Mitglieder meines Inneren Teams.
Der nächste Schritt war nicht so einfach: Ich musste als neutrales Oberhaupt die zum Teil hitzige Diskussion zwischen den Teammitgliedern moderieren. Gut, das bin ich von realen Teams gewohnt. Trotzdem ist es nicht einfach, sich als Oberhaupt nicht mit einem Teammitglied zu verbünden. Denn man hat oft seine Lieblinge.
Ich stellte sicher, dass jedes Teammitglied die anstehende Entscheidung mitgehen kann, um mich mit freiem Kopf der anliegenden Arbeit widmen zu können.
Ich fällte eine Entscheidung, holte mir von allen Teammitgliedern das Okay und legte los.

Wozu das alles?

Ganz einfach: Als Coaching-Tool ist die Arbeit mit dem Inneren Team das, was ich am liebsten anbiete. Sie führt zu unwahrscheinlichen Aha-Erlebnissen, riesigen Chancen zur Selbsterkenntnis und vor allem zu vielen Möglichkeiten, sich mit sich selbst zu versöhnen. So nehmen die Klient*innen nach dem Prozess neben einer stimmigen Entscheidung oft auch ein klareres und vor allem liebevolleres Selbstbild mit nach Hause.

Befinden Sie sich in einem Entscheidungsprozess oder haben Sie sich schon zu etwas entschlossen?
Fühlen Sie sich dabei unwohl oder sehr hin-und hergerissen?
Tauchen trotz gefällter Entscheidungen immer noch negative Gefühle und Unsicherheiten auf?
Fühlen Sie sich blockiert, auch wenn es eigentlich losgehen könnte?

Dann könnte es sein, dass Sie Mitglieder Ihres Inneren Teams noch nicht restlos überzeugt haben, bzw. noch Mitglieder miteinander ringen, statt ins Gespräch zu gehen.

Das Innere Team ist aber ebenso effektiv wenn Sie:

grundsätzliche Einstellungen zu Themen finden möchten
vor größeren Aufgaben stehen
Lebensthemen zu lösen haben
sich zu Fragen der Zeit positionieren möchten
Klarheit in Erziehungsfragen suchen
schwierige Kommunikationssituationen meistern müssen

Mein Angebot an Sie:

Wir entdecken gemeinsam zu einer offenen Frage Ihr individuelles Inneres Team.

Miteinander zeichnen wir Ihr Bild von Ihrem Team, geben den Mitgliedern Stimmen und Namen.

Und ich helfe Ihnen, den wichtigen Dialog zwischen den Mitgliedern zu moderieren, damit Sie am Ende eine kraftvolle und authentische Entscheidung fällen können.

Wie? Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende? Ach so, Sie möchten wissen, was ich als Oberhaupt meines Inneren Teams entschieden habe? Okay, auch wenn es ein längerer Prozess war, ich mache es kurz:

Ich schiebe einen neuen beruflichen Bereich als Coach und Mediator an und habe damit den wissensdurstigen Abenteuerlustigen und den zielgerichteten Macher voll integriert. Auch der besorgte Mahner ist damit einverstanden, denn ich reagiere als Outdoortrainer damit auch auf die nachlassenden Kräfte und die zunehmende Verletzungsanfälligkeit.

Ebenso mit einbezogen ist der Realist, der mich ja eh mahnte, äußere Veränderungen nicht zu ignorieren. Da er aber mit der materiellen Sicherheit noch nicht ganz zufrieden war, entschied ich noch Folgendes: Ich würde auch weiterhin Angebote für meinen Stamm-Kundenkreis machen.

Und ich würde Online-Seminare mit in mein Angebot aufnehmen. Weil es sich an der Zukunft und der Corona-Realität orientiert, weil es körperlich nicht anstrengend ist und weil auch der bequeme Verdränger mitgehen kann. Der liebgewonnene Kundenkreis wird so weiterhin angesprochen, und auch die Arbeit mit Gruppen wird nach wie vor eine Rolle spielen. Und um die nostalgischen Gefühle des bequemen Verdrängers zu bedienen: Ja, ich würde auf Anfrage auch noch meine bewährten Präsenz-Programme durchführen, aber nur so viele, dass ich mich damit wohlfühlen würde. Den Rest würde ich abgeben. Das beruhigt auch den Realisten und den besorgten Mahner: Denn Coach nennen sich viele und nicht alle sind erfolgreich!

Also: Ich stehe Ihnen zur Verfügung!

Wenden Sie sich gerne an mich:

als Coach, wenn Entscheidungen anstehen oder Sie sich allgemein positionieren möchten.

wenn Sie Ihre Gruppen aktiv beschäftigen wollen, aber kein Präsenz-Seminar möglich ist.

als Mediator und Konfliktklärer, etwa bei Ärger im Team, Erbschaftsstreitfällen, Familienstreitigkeiten, Streitfällen im Geschäftsbereich, z. B. zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Als Beginner vorerst im Team mit erfahrenen Mediatoren.

als Outdoor-Trainer mit bewährten Settings – allerdings mit längerer Vorlaufzeit.

Bei Fragen zur Methode oder weitergehenden Möglichkeiten können Sie sich gerne jederzeit bei mir melden.

Ich freue mich auf jeden Fall über Ihr Interesse.

Kai Ludwigs

Blog: Beginn Juli'20

Coaching mit dem Inneren Team

09.11.20 Gedanken zu Corona-Diskussionen

31.10.2020, Gedanken vorm 2ten Lockdown

Das Innere Team